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Wie ein "Den Sender können wir abschalten!" zu unserem wertvollsten Learning wurde

Warum sich Kunden totoptimieren und wie wir Marketing Mix Modeling auch für normale Budgets zugänglich gemacht haben. Eine 6-Wochen-Wirkung Story.

Warum sich Kunden totoptimieren und wie wir Marketing Mix Modeling auch für normale Budgets zugänglich gemacht haben. Eine 6-Wochen-Wirkung Story.

Der Anruf, der alles veränderte

Mein Consulting-Kollege kam an einem ganz normalen Donnerstag auf mich zu. Nicht dramatisch, nicht hektisch – einfach so, wie man halt mal eben kurz was bespricht. “Hey Flo, wir haben mit unserem Kunden einen großen Sender getestet und wir haben das Gefühl das passt super. Aber die Performance-Auswertung sieht nicht gut aus. Wie können wir da denn tiefer reinschauen?”

Da war ich sofort hellhörig. Wir hatten diesen Senderzusammen mit dem Kunden getestet, obwohl er teuer war. Es war ein perfekter Zielgruppenfit, nach dem Start saßen alle gespannt vor dem Report. Aber die übliche peak-basierte Performance-Attribution zeigte: Die Ergebnisse rechtfertigten die Kosten nicht. Punkt.

Das Problem war nur: Mein Bauchgefühl als Performance-Experte sagte was anderes. Der Blick auf die Gesamtentwicklung des Kunden hinterließ bei uns definitiv den Eindruck, dass da mehr passiert war. Aber wir leben ein Challenger-Mindset, Bauchgefühl alleine reicht nicht – und hier hatten wir das Problem, dass wir den Nachweis nicht mit dem klassischen Tracking erbringen konnten.

In dem Moment, als der Kunde zu dem Schluss kam, dass er diesen Sender nicht weiter buchen möchte, war mir klar: Wir müssen hier was machen. Der Kunde schadet sich selbst, wenn er auf das Kurzfrist-Tracking vertraut.

Das war der Startschuss für eine Journey, die nicht nur diesem einen Kunden geholfen hat, sondern unser Verständnis von Performance-Messung grundlegend verändert hat.

Das schleichende Gift der Totoptimierung

Ehrlich gesagt kannte ich das Problem schon länger. Als CTO bei lead link sehe ich das immer wieder: Kunden können Ergebnisse nur auf Basis ihrer Erfahrungen und der Daten beurteilen, die sie sehen. Und wenn sie denken “Performance Tracking ist die ganze Antwort”, optimieren sie strikt danach.

Früher haben wir oft gesagt: Der Kunde hat sich totoptimiert.

Tot-Optimieren läuft immer nach dem gleichen Muster ab: Der Fokus auf kurzfristiges Tracking führte dazu, dass Kampagnen immer kleiner und nischiger optimiert werden. Das sieht im Report erst gut aus, aber im Gesamt-Ergebnis wird es schnell viel schlechter. Die Costs per Visit oder Lead steigen, bis ein Kunde TV irgendwann nicht weiterbuchen möchte - trotz sehr hohem Potential!

Das Cross-Device-Dilemma, das jeder übersieht

Hier wird’s technisch, aber ich erklär’s mal so, dass es jeder versteht: Ein Zuschauer sitzt abends auf der Couch, sieht deine TV-Werbung, denkt “interessant” – und reagiert dann zwei Stunden später auf seinem Smartphone darauf. Oder erst am nächsten Tag im Büro am Laptop.

Um trotzdem zu messen, was TV bringt, nutzen wir die Reichweite: Wenn extrem viele Leute gleichzeitig deinen Spot sehen und ein Teil davon reagiert, entsteht ein “Peak” bei den Website-Besuchern. Den können wir zeitlich dem TV-Spot zuordnen.

Das ist ein wichtiges Werkzeug – keine Frage. Im Kontext verschiedener Sender, Umfelder und Kosten kann man damit gut relativ sehen, was besser funktioniert. Aber es erfasst halt nur, was in den ersten paar Minuten nach Ausstrahlung passiert.

Was danach kommt – und das kann bis zu 6 Wochen später sein – geht komplett verloren. Bei diesem speziellen Sender war dieser Kontrast besonders krass: Kurzfristig war da ein Effekt, aber der rechtfertigte die Kosten nicht. Der Langfrist-Effekt dagegen sehr wohl.

Wie wir das Problem geknackt haben

Hier wird’s interessant: Bei bisher allen Kunden, bei denen wir Marketing Mix Modeling gemacht haben, war TV bis zu hohen Millionenbudgets ROI-positiv. Ich hab persönlich noch nie einen Fall gesehen, wo ein Kunde im TV overspended hat.

Genau hier kam mir die Idee: Was wäre, wenn wir statt der kurzfristigen Peaks mal das große Bild anschauen? Marketing Mix Modeling macht genau das – es geht von der untersuchten KPI aus und schaut, welche Einflussfaktoren welchen Beitrag hatten. Da es nicht 1:1 auf kurzfristige Effekte schaut, sondern die Gesamteffekte im Blick hat, kann man auch Aussagen zur Gesamtwirkung der Kanäle treffen.

Die Unternehmen verschenken unterm Strich also irre viel Geld durch die Totoptimierung. Sie investieren weniger in TV und lassen Umsatz und Wachstumspotential liegen.

Aber: Ein klassisches Marketing Mix Modeling bewegt sich oft im hohen fünf- bis sechsstelligen Bereich. Diese Kostenhöhe sind viele deutsche Firmen für Analysen nicht gewohnt. Da mussten wir kreativ werden.

Der Weg: Von der Idee zur Umsetzung

Meine Herangehensweise war simpel: Wenn wir einen konkreten Anlass haben – wie bei der geschilderten Frage – stelle ich dem Kunden das Thema vor. In einem 30-Minuten-Call erkläre ich, worum es geht und was die Unterschiede zum normalen Tracking sind. Und warum beides seine Berechtigung hat, aber für diese spezielle Fragestellung Modelling das bessere Werkzeug wäre.

Wichtig ist mir immer: Ich will dem Kunden nichts verkaufen, sondern ihm ein Tool anbieten, mit dem er eine wichtige Frage klären kann. Am Ende profitieren wir davon, wenn wir den Kunden so gut beraten, dass er wachsen kann – nicht wenn wir ihn shady über den Tisch ziehen.

Das ist ein komplexes Thema, aber ich kann komplexe Themen zum Glück sehr verständlich erklären. Das ist nie das Problem. Die Umsetzung ist auch komplex, so ein Projekt dauert je nach Umfang in der Regel 2-3 Monate. Aber dafür bekommt man eine Auswertung, mit der man was anfangen kann. Eine, die nicht nur TV zeigt, sondern alle wesentlichen Einflussfaktoren auf die untersuchten KPIs. Aber was durchaus ein Problem ist: die sehr hohe Kostenhürde.

Deswegen haben wir viel daran gearbeitet, solche Projekte für alle Kunden zu ermöglichen: Wir haben schlanke Prozesse entwickelt, sind kreative Partnerschaften eingegangen und haben bei der Datenbeschaffung selbst viel beigesteuert. Dadurch konnten wir das kostentechnisch viel zugänglicher machen, ohne die Qualität zu opfern.

Marketing Mix Modeling Process Von kurzfristigen Peaks zur langfristigen Wirkungsanalyse – so funktioniert echter Performance-Nachweis

Der Moment der Wahrheit: “Das kann doch nicht sein!”

Zurück zum Kunden mit dem konkreten Problem:

Auf das Präsentations-Meeting waren wir maximal gespannt. Ehrlich gesagt war ich auch etwas nervös – würde unsere Theorie aufgehen? Wir hatten monatelang an den Daten gearbeitet, alles mehrfach gecheckt – und dann saßen wir da mit den Ergebnissen.

Als wir die Sender-Zahlen gezeigt haben, war die erste Reaktion des Kunden: “Das kann doch nicht sein! Das glaube ich nicht!“. Der Sender war der Kanal mit dem besten ROI.

Ich konnte ihn verstehen. Nach den schlechten Performance-Daten sollte DIESER SENDER plötzlich der wertvollste Kanal sein? Das war schon ein krasser Kontrast.

Aber dann kam der Wendepunkt: Bei allen anderen Ergebnissen meinte der Kunde aber, das deckt sich sehr mit ihren eigenen Erkenntnissen, wie sich die Kanäle entwickelt haben. Die Gesamtaussage war für sie absolut glaubhaft. Und dementsprechend erschien auch der spezielle Sender plötzlich in neuem Licht. Von Zero to Hero. Und sie investierten wieder in den Sender – ihren, wie sich herausstellte, stärksten TV-Kanal.

Das Schöne war: Es blieb nicht bei diesem einen Kunden. Alle Kunden, die wir seitdem begleitet haben, konnten ihren Media- und Sendermix optimieren, um mehr ROI rauszuholen. Und alle konnten ihre Budgets erhöhen bei besserem Ertrag. Ohne Ausnahme.

Was ich als CTO daraus gelernt habe

Diese ganze Geschichte hat mir drei Dinge gezeigt, die weit über Performance Marketing hinausgehen:

1. Vertraue deiner Expertise – auch gegen die Daten

Als Tech-Leader stehst du oft in der Situation, dass deine Erfahrung dir was anderes sagt als die verfügbaren Daten. Das ist der Moment, wo du entscheiden musst: Akzeptierst du die oberflächlichen Zahlen oder gehst du tiefer?

Bei uns war klar: Das Bauchgefühl alleine reicht nicht, aber es kann der Startschuss sein, um bessere Daten zu beschaffen.

2. Datenqualität ist der Flaschenhals

Am Ende ist es immer die gleiche Geschichte: Shit in, shit out. Die Datenqualität ist extrem wichtig, aber viele Unternehmen kämpfen damit, Daten für mehrere Jahre in gleicher Qualität und Granularität zur Verfügung zu stellen.

Hier hilft es, erfahrene Partner zu haben, die einen durch den Prozess führen.

3. Die richtige Fragestellung ist alles

Eine Analyse mag immer wertvoll sein, aber man sollte sich aufgrund des Aufwands und der Kosten gut überlegen, welche Fragen man damit klären will. Nicht jedes Problem braucht die schwerste Artillerie – manchmal reicht das vorhandene Tracking völlig aus.

Bei uns war die Fragestellung klar: “Ist der Sender wirklich so schlecht, wie es aussieht?” Diese konkrete Frage rechtfertigte den Aufwand. gi

4. Jedes Tool hat seinen Zweck – lerne sie zu kombinieren

Die Performance Attribution ist aufgrund ihrer Granularität und Schnelligkeit unverzichtbar für die Kampagnen-Optimierung. Aber für strategische Fragen braucht es andere Werkzeuge – wie Marketing Mix Modeling.

Meine drei Sofort-Tipps für Tech-Leader

Falls du in ähnlichen Situationen steckst, wo deine Expertise gegen unvollständige Daten kämpft:

1. 🔍 Hinterfrage deine Standard-Metriken
Welche Langzeit-Effekte könntest du übersehen? Was passiert jenseits deiner üblichen Messzeiträume?

2. 🤝 Baue dir ein Netzwerk von Spezialisten auf
Experten und Partner, die dir bei komplexeren Analysen helfen können, wenn die Standard-Tools nicht ausreichen.

3. ⚖️ Definiere klare Tool-Grenzen
Wann reicht dein Standard-Tracking und wann brauchst du schwerere Geschütze? Diese Klarheit spart Zeit und Geld.

Das Wichtigste: Lass dich nicht von der ersten Daten-Schicht blenden. Manchmal ist das, was du nicht siehst, wichtiger als das, was offensichtlich ist.

Was denkst du? Kennst du das Problem des “Totoptimierens”? Schreib mir gerne auf LinkedIn – ich bin gespannt auf deine Erfahrungen.

P.S.: In jedem guten RPG lernst du: Du brauchst die richtigen Skills für die richtigen Situationen. Gegen einen Gegner mit Feuer-Immunität hilft dir die Flammenwand gar nichts, da muss dann mal der Blitzschlag ran 🎮

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